Hauptinhalt

Die Zukunft mitgestalten

Liebe Bäuerinnen und Bauern

Sie halten den Jahresbericht 2023 und damit die Vergangenheit in den Händen. Doch viele Themen bleiben aktuell und werden uns weiter beschäftigen. Wie so oft, ist auch in dieses Verbandsjahr durchzogen ausgefallen. Erfreulich ist, dass das Image der Schweizer Landwirtschaft gemäss einer Umfrage des Bundesamts für Landwirtschaft sehr gut ist: 91 Prozent der Befragten halten sie für vertrauenswürdig. Grosse Zustimmung gab es weiter bei «konsumentennah», «umweltgerecht» oder «unternehmerisch». Das widerspricht dem oft gezeichneten Bild in den Medien. Dort wird insbesondere die Arbeit des Bauernverbands als Interessensvertretungsorganisation häufig sehr kritisch beleuchtet. Doch offenbar kann die Bevölkerung das problemlos einordnen und beurteilt deswegen die Leistungen der Bauernfamilien nicht geringer. Die Kritik am Bauernverband – und das ist schlussendlich auch eine gute Nachricht – kommt vor allem wegen unserer erfolgreichen Arbeit auf politischer Ebene zustande.

Und da waren wir 2023 tatsächlich oft gut unterwegs. Am meisten freut uns, dass wir im Dezember die Sparpläne des Bundesrats beim Agrarkredit 2024 abwenden konnten. Die Bauernbetriebe leisten Jahr für Jahr mehr, ohne dass dafür eine zusätzliche Entschädigung vorgesehen ist. Die bestellten Leistungen nicht mal mehr im gleichen Umfang zahlen zu wollen, das geht in Richtung Zechprellerei. Es ist nicht zuletzt diesen überzeugenden Argumenten zu verdanken, dass das Parlament die Landwirtschaft verschonte.

Apropos Parlament: Wir haben uns im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Oktober erstmals mit Gewerbeverband, Arbeitgeberverband und economiesuisse zusammengetan. Ziel war es, mit der ein Jahr zuvor gestarteten Kampagne «Perspektive Schweiz», möglichst vielen wirtschafts- und landwirtschaftsfreundlichen Kandidierenden zur Wahl ins eidgenössische Parlament zu verhelfen. Mit dem Resultat dürfen wir auf jeden Fall zufrieden sein. Es ist uns gelungen, die bäuerliche Vertretung sogar auszubauen. Einzig die Verteilung über die verschiedenen Parteien könnte noch besser sein. Denn wir brauchen unsere Verbündeten in möglichst vielen Fraktionen, um erfolgreich Überzeugungsarbeit zu leisten.

Eine gute Nachricht ist ebenfalls, dass der Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative Ende Jahr definitiv bachab geschickt wurde. Natürlich wäre es verlockend gewesen mit einer guten Alternative eine Abstimmung zu vermeiden. Aber aufgrund des vorliegenden Gegenvorschlags und den Aussagen der Initianten, hätte es nur zwei Varianten gegeben: Entweder ein Vorschlag mit einschneidenden Konsequenzen für die landwirtschaftliche Produktion oder die Initianten hätten die Initiative nicht zurückgezogen. Denn eines ist klar: Ihr Ziel ist nicht nur massiv mehr Fläche für die Biodiversität, sondern sie wollen diese im Richtplan fix ausscheiden. Pro Natura – eine der Initianten – haben Ende Jahr verkündet, dass aktuell nur 8 Prozent der geforderten 30 Prozent Landesfläche effektiv dem Schutz der Biodiversität diene. Damit fehlt aus ihrer Sicht 22 Prozent, was einer Fläche der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn zusammen entspricht. Die enormen Auswirkungen auf die Produktion sind damit selbstredend. Vergessen geht, dass Produktion und Biodiversität sich kombinieren lassen!

Zum Schluss noch ein wichtiger Punkt, der die Jahresbilanz stark trübt: Die gesunkenen landwirtschaftlichen Einkommen. Es ist nicht gelungen, die höheren Kosten in der Produktion vollumfänglich weiterzugeben und neue Auflagen führen zu zusätzlichen Mehrkosten und Mindererträgen. Zusätzlich geforderte und erbrachte Leistungen im Bereich Umwelt oder Tierwohl sind immer weniger entschädigt. Die Detailhändler wälzen das ganze Risiko auf die Bauernbetriebe ab. Wenn sich das eingeforderte, besonders tierfreundlich produzierte Schweinefleisch aufgrund der generellen Teuerung nicht mehr gleich gut verkaufen lässt, dann nimmt man es den Bauern einfach nicht mehr ab. Wenn die Kartoffelernte aufgrund von fehlenden Pflanzenschutzmitteln schlecht ausfällt, dann erhöht man flink die Importe. Die Verarbeiter und Detailhändler können – ebenso wie der Bund – nicht immer mehr von den Schweizer Bauernbetrieben verlangen, ohne den entsprechenden Mehrpreis zu zahlen und sich am unternehmerischen Risiko zu beteiligen. Die Bauernbetriebe brauchen echte Partner, auf die sie sich verlassen können!

2023 haben wir im Hinblick auf die Agrarpolitik 2030 eine Umfrage bei der Basis durchgeführt. Ziel war es, die Erwartungen der Bäuerinnen und Bauern abzuholen und zu sehen, in welche Richtung sich die Produktion bewegt. Es haben sehr viele Betriebsleitende mitgemacht. Es war ihnen wichtig, ihre Befindlichkeit und Anliegen einzubringen. Die Bauernproteste Anfang 2024 in anderen Ländern Europas sind dann auf die Schweiz übergeschwappt. Auch bei uns ist Dampf im Kessel und Frust da. Dieser ist in erster Linie der schlechten wirtschaftlichen Situation sowie der vielen Kritik und geringen Wertschätzung geschuldet.

Liebe Bauernfamilien, 2024 wird die Welt weit entfernt von perfekt sein. Wenn wir zusammenhalten und uns gemeinsam engagieren, können wir sie aber auf jeden Fall ein bisschen besser machen. Wir können z.B. die Bevölkerung von einem Nein zur extremen Biodiversitätsinitiative überzeugen. Denn was wir alle täglich brauchen, ist nachhaltig produziertes Essen. Das kann die Schweizer Landwirtschaft!

Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband
Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband