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Proteste, Preise, Politik und viel Regen
Liebe Bäuerinnen und Bauern
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an das vergangene Jahr denken? Die Bauernproteste in ganz Europa und dann auch in der Schweiz? Der nasse Frühling und Sommer, der es kaum zuliess, die Felder zu bestellen, den Schutz der Kulturpflanzen sicherzustellen oder zum optimalen Zeitpunkt zu ernten? Oder die einmal mehr klar gewonnene Abstimmung zur Biodiversitätsinitiative? Das Jahr bot einige Anker, um im Gedächtnis haften zu bleiben.
Es gab zahlreiche Erfolge, aber auch Herausforderungen. Zu den letzteren gehörte sicher das erwähnte Wetter. Nachdem es mehrere Jahre national oder zumindest regional ausserordentlich trocken war, wollte der Regen 2024 nie ganz aufhören. Nasse Jahre bringen meiste schlechtere Erträge und tiefere Qualität, was auch der Waadtländer Landwirt Nicolas Heuberger im Betriebsportrait auf Seite 9 dieses Berichts bestätigt. Der Schutz der Kulturen war aber nicht nur deswegen schwierig. Es gibt einen grossen Stau bei der Zulassung neuer wirksamer Pflanzenschutzmittel, währendem es mit dem Verbot von bisherigen Mitteln flott vorwärts geht. Ein Reizwort ist auch Digiflux, also jenes Tool, das es erlauben soll, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Nährstoffflüsse zu erfassen. Hier braucht es mehr Vernunft und eine Rückbesinnung auf das Sinnvolle und Machbare. Für uns ist ein weiteres Bürokratiemonster keine Lösung. Die Notwendigkeit für administrative Vereinfachung ist offensichtlich anerkannt, wenn der Bundesrat persönlich deswegen zum runden Tisch einlädt.
Der zweite grosse Themenbereich waren die Produzentenpreise. Diese sind weiter gestiegen. Doch es bleiben weiterhin Lücken, um die gestiegenen Produktionsmittelpreise, die Kosten auf Aufwände infolge neuer Anforderungen und die zunehmenden Anbaurisiken zu decken. Hier ist die gesamte Landwirtschaft und speziell die Fachorganisationen gefordert, hart zu verhandeln. Ohne kostendeckende Preise gibt es keine nachhaltige inländische Lebensmittelproduktion. Denn vier von fünf Franken verdienen die Bauernbetriebe mit dem Verkauf ihrer Produkte. 2024 setzte der Detailhandel eine Preisspirale gegen unten in Gang. Jeder will noch günstiger sein als die Mitbewerber. Diese äusserst gefährliche Tendenz werden wir mit Argusaugen beobachten. Denn sie darf keinesfalls zu tieferen Preisen für die Bauernbetriebe führen. Die Lebensmittel sind in der Schweiz nicht teuer: Ein durchschnittlicher Haushalt gibt gerade mal 6.7 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Essen aus. Das ist ein weltweiter Tiefstwert, den wir unserem hohen Lohnniveau verdanken.
Im Herbst war die Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative, die das Volk noch klarer ablehnte als die Massentierhaltung oder die Agrarinitiativen vorher. Eigentlich hätten wir da auch zurücklehnen und auf die erreichten Ziele sowie das bereits erkannte Optimierungspotential im Bereich Landwirtschaft hinweisen können. Doch es das wäre mit einer gewissen Gefahr verbunden gewesen: Statt sich mit der ausgestreckten Hand zufrieden zu geben, hätte es in der Folge um den ganzen Arm gehen können. Es steht die Ausgestaltung der Agrarpolitik 2030 an. In dieser soll es nicht wieder ausschliesslich um die ökologische Nachhaltigkeit, sondern vielmehr um die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit der Landwirtschaft gehen. Ebenso gilt es die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten in Pflicht nehmen. Die Bevölkerung hätte es bereits heute in der Hand, eine besonders umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft mit ihrem Einkaufverhalten noch stärker zu fördern. Die Tiefpreisstrategie der Grossverteiler spricht hier leider eine andere Sprache.
Um das Geld ging es ab Sommer auch dem Bundesrat. Der macht sich Sorgen um sein wachsendes Ausgabendefizit. Doch statt bei den stetig steigenden Positionen den Riegel zu schieben, wollte er den Weg des geringsten Widerstands wählen und überall ein bisschen sparen. Für die Landwirtschaft ist das besonders unfair. Sie bekommt seit mehr als 20 Jahren gleich viel, während die Anforderungen für den Erhalt der Direktzahlungen stetig stiegen. Wir haben uns entsprechend – und bis jetzt erfolgreich – gewehrt.
In diesem Jahresbericht finden Sie viele weitere Themen, die unseren Verband und seine Mitglieder im Jahr 2024 beschäftigt haben. Auf den letzten zwei Seiten schauen wir zudem auch das bereits laufende Jahr. Der Bauernverband ist gut aufgestellt und erfolgreich unterwegs. Das grosse Vertrauen, das uns die Schweizer Bauernfamilien entgegenbringen, ist die Basis dafür. Dafür bedanken wir uns ganz herzlich und versichern Ihnen: Wir bleiben dran!
Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband
Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband
«Die nächste Agrarpolitik muss die wirtschaftliche Nachhaltigkeit im Fokus haben.»
«Nasse Jahre sind meist schlechte Jahre.»
«Unsere Lebensmittel sind trotz hohen Auflagen günstig.»
«Wir bedanken uns für das Vertrauen in unsere Arbeit.»