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Lenkungsabgabe: Wie sinnvoll ist moderner Ablasshandel?
Das Thema „Lenkungsabgaben“ steht in Bundesbern hoch im Kurs. Grün-linke Politiker, Umweltorganisationen und auch einzelne Wissenschaftler sehen hier die ultimative Waffe, um beispielsweise den Pflanzenschutz-, Futtermittel- oder Kunstdüngerverbrauch zu senken. Was sind Lenkungsabgaben genau? Ein klassisches Beispiel ist die Flugticketsteuer. Da viel Fliegen die Umwelt belastet, soll eine künstliche Verteuerung die Leute zu ökologischeren Fortbewegungsmittel umlenken. Auch die Tabaksteuer ist eigentlich eine Lenkungsabgaben. Das Thema ist in der Landwirtschaft nicht neu. Seit den 90er Jahren haben eine Handvoll europäischer Staaten diese eingeführt – mit mässigem Erfolg. Das immer wieder als Vorzeigebeispiel angeführte Dänemark musste seine Abgabe mehrfach komplett überarbeiten und auch massiv erhöhen. Und obwohl stattliche 85 Mio. Franken (2016) in die Staatskassen fliessen, steigen die eingesetzten Pflanzenschutzmittelmengen seit 2005 wieder. Warum? Die Abgabe führte beispielsweise dazu, dass bei den Herbiziden fast nur noch jene mit den geringsten Aufwandmengen zum Einsatz kamen. In Kürze bildeten die Unkräuter Resistenzen dagegen aus. Beim Stickstoff führten zu ehrgeizige Reduktionsziele und Lenkungsabgaben dazu, dass weniger als der tatsächliche Pflanzenbedarf gedüngt werden konnte. In der Folge sanken die Proteinwerte von Brotgetreide drastisch. 2014 lag der durchschnittliche Proteingehalt von dänischem Weizen bei gut 8%. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es unter 12.8% einen Preisabzug und unter 11.5% kippt mancher Müller den vermeintlichen Brotweizen ins Futtergetreide, weil sich daraus kein Brot backen lässt. Heute ist Dänemark auf den Import von Qualitätsweizen angewiesen. Lenkungsabgaben sind also bei weitem nicht der Weisheit letzter Schluss, auch wenn sie in gewissen Kreisen „en Vogue“ sind. Wir müssen ja nicht unbedingt die gleichen Fehler machen, wie andere Länder. Die Menge der verkauften Pflanzenschutzmittel in der konventionellen Landwirtschaft sinkt Jahr für Jahr. Seit 2008 ging sie um über 40% zurück.
Bei Glyphosat sind es sogar über 60% weniger. Eine unabhängige Zulassungsbehörde, die gezielte Überprüfung der zugelassenen Wirkstoffe, wirkstoffspezifische Anwendungsauflagen, Anreizen für einen tiefen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei den Direktzahlungen (Extenso, herbizidfrei, Bio, Ressourceneffizienz- und demnächst Produktionssystembeiträgen), der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz sowie die Parlamentarischen Initiative 19.475 „Absenkpfad PSM“ sorgen dafür, dass diese Entwicklung weitergeht. Lenkungsabgaben sind im Umfeld der Schweizer Landwirtschaft „systemfremd“ und dürften kaum einen Effekt oder Mehrwert bringen. Im Gegenteil: Sie ist fast eine Art moderner Ablasshandel im Stil von „ich setze zwar etwas Kritisches ein, zahle aber eine Abgeltung dafür und deshalb ist es ok“. Meiner Meinung nach muss man das Risiko von Pflanzenschutzmitteln auf der Basis von anerkannten wissenschaftlichen Methoden so beurteilen, dass die Mittel sicher zugelassen werden können. Im gegenteiligen Fall sind sie zu verbieten. Punkt Schluss. Grauzonen mit Hilfe von Lenkungsabgaben zu schaffen, erachte ich als fragwürdig, ja sogar scheinheilig. Denn eines ist sicher: Die ersten, welche die Landwirtschaft mit einer Millionenschweren Negativkampagne wegen den Grauzonen an die Plakatwände bringen, sind die Umweltorganisationen. Ihnen wird es nie genug sein. Egal was wir tun. Egal wie viel umweltfreundlicher unsere Produktion im Vergleich mit dem Ausland ist.
Autor
David Brugger
Schweizer Bauernverband
Leiter Geschäftsbereich Pflanzenbau
Telefon 077 438 90 88
E-Mail david.brugger@sbv-usp.ch