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Agrarpolitik der Zukunft sollte nicht von gestern sein
Im November las man in der NZZ von „rosigen Aussichten für die Schweizer Wirtschaft“. Mitte Dezember doppelte das Seco nach und prognostizierte für 2018 ein „kräftiges Wachstum“ von 2.3 Prozent. Da frage ich mich, wie der Bundesrat auf die Idee kam, dass der Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte abgebaut werden müsse, damit die übrige Wirtschaft nicht unter dem Primärsektor leidet. Ich verstehe sowieso nicht, warum der Bundesrat in seiner Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik in allen Szenarien den Grenzschutzabbau vorab nimmt. Ein so einseitiges Werk verdient den Namen „Gesamtschau“ nicht.
Grenzschutzabbau ist auch weltweit betrachtet nicht das Gebot der Stunde. Im Dezember fand die letzte WTO-Verhandlungsrunde in Buenos Aires statt. Von einem multilateralen Abkommen im Bereich Marktzutritt war die Diskussion weit entfernt. Ja es gab überhaupt keine Einigung für nichts. Das kommt nicht von ungefähr. Auch unter Ökonomen nimmt die Erkenntnis zu, dass offene Märkte nicht zwingend allen mehr Wohlstand bringen. Vielmehr haben sie in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Ungleichheit zunahm. Die reichsten Prozent profitieren ungleich mehr, als die Mehrheit und die Ärmsten. Ein zunehmendes Auseinanderdriften des wirtschaftlichen Wohlstands einer Gesellschaft birgt die Gefahr für politische Krisen und sie fördert weltweite Migrationsbewegungen.
Doch kommen wir zurück in die Schweiz. Wir haben das Glück in einem politisch sehr stabilen System und wirtschaftlich guten Umfeld zu leben. Aber auch bei uns gibt es Ungleichheit. So verdienen die Menschen in der Landwirtschaft ungleich weniger als der Schnitt, obwohl sie länger arbeiten. Die Wertschöpfung in der Urproduktion ist tief, wie uns die Wirtschaft immer wieder vorhält. Dieses weltweite Phänomen liegt nicht zuletzt in den ungünstigen Marktstrukturen begründet. Immer stehen viele produzierende Bauern einer sehr kleinen Anzahl Abnehmer gegenüber, was ihre Marktmacht extrem einschränkt. Aber mir scheint, dass es für die Schweiz kein Problem sein sollte, eine nicht sehr wertschöpfungsstarke Landwirtschaft mitzutragen. Vor allem, weil diese eine Grundversorgung mit Essen sicherstellt und dabei die Landschaft der Schweiz und der Tourismusgebiete massgeblich prägt. Untersuchungen bestätigen regelmässig, dass die Schweizer Bevölkerung diese Leistungen der Landwirtschaft schätzt und erhalten will. Auch das konnte man im Dezember in der Presse lesen und das zeigte auch die Abstimmung vom 24. September mit einem überwältigenden Ja-Anteil von mehr als 78 Prozent.
Doch genug philosophiert. Die aktuelle Agrarpolitik ist nicht fehlerfrei. Sie setzt zum Teil falsche Anreize, welche unerwünschte Auswirkungen haben. Der Bauernverband ist willens, weiter an Verbesserungen zu arbeiten. Aber die Agrarpolitik von morgen, darf nicht auf einer Ideologie von gestern beruhen. Deshalb ist die Gesamtschau nicht das richtige Grundlagendokument. Wir sind unsererseits daran, Vorschläge zur Weiterentwicklung zu erarbeiten. Und wir sind durchaus bereit, unsere Ideen mit dem Bundesrat zu diskutieren.
Autor
Markus Ritter
Nationalrat, Präsident SBV