Hauptinhalt

Lenkungsabgabe: Wie sinnvoll ist moderner Ablasshandel?

Standpunkt vom 11. Dezember 2020

Das Thema „Lenkungsabgaben“ steht in Bundesbern hoch im Kurs. Grün-linke Politiker, Umweltorganisationen und auch einzelne Wissenschaftler sehen hier die ultimative Waffe, um beispielsweise den Pflanzenschutz-, Futtermittel- oder Kunstdüngerverbrauch zu senken. Was sind Lenkungsabgaben genau? Ein klassisches Beispiel ist die Flugticketsteuer. Da viel Fliegen die Umwelt belastet, soll eine künstliche Verteuerung die Leute zu ökologischeren Fortbewegungsmittel umlenken. Auch die Tabaksteuer ist eigentlich eine Lenkungsabgaben. Das Thema ist in der Landwirtschaft nicht neu. Seit den 90er Jahren haben eine Handvoll europäischer Staaten diese eingeführt – mit mässigem Erfolg. Das immer wieder als Vorzeigebeispiel angeführte Dänemark musste seine Abgabe mehrfach komplett überarbeiten und auch massiv erhöhen. Und obwohl stattliche 85 Mio. Franken (2016) in die Staatskassen fliessen, steigen die eingesetzten Pflanzenschutzmittelmengen seit 2005 wieder. Warum? Die Abgabe führte beispielsweise dazu, dass bei den Herbiziden fast nur noch jene mit den geringsten Aufwandmengen zum Einsatz kamen. In Kürze bildeten die Unkräuter Resistenzen dagegen aus. Beim Stickstoff führten zu ehrgeizige Reduktionsziele und Lenkungsabgaben dazu, dass weniger als der tatsächliche Pflanzenbedarf gedüngt werden konnte. In der Folge sanken die Proteinwerte von Brotgetreide drastisch. 2014 lag der durchschnittliche Proteingehalt von dänischem Weizen bei gut 8%. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es unter 12.8% einen Preisabzug und unter 11.5% kippt mancher Müller den vermeintlichen Brotweizen ins Futtergetreide, weil sich daraus kein Brot backen lässt. Heute ist Dänemark auf den Import von Qualitätsweizen angewiesen. Lenkungsabgaben sind also bei weitem nicht der Weisheit letzter Schluss, auch wenn sie in gewissen Kreisen „en Vogue“ sind. Wir müssen ja nicht unbedingt die gleichen Fehler machen, wie andere Länder. Die Menge der verkauften Pflanzenschutzmittel in der konventionellen Landwirtschaft sinkt Jahr für Jahr. Seit 2008 ging sie um über 40% zurück.

Bei Glyphosat sind es sogar über 60% weniger. Eine unabhängige Zulassungsbehörde, die gezielte Überprüfung der zugelassenen Wirkstoffe, wirkstoffspezifische Anwendungsauflagen, Anreizen für einen tiefen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei den Direktzahlungen (Extenso, herbizidfrei, Bio, Ressourceneffizienz- und demnächst Produktionssystembeiträgen), der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz sowie die Parlamentarischen Initiative 19.475 „Absenkpfad PSM“ sorgen dafür, dass diese Entwicklung weitergeht. Lenkungsabgaben sind im Umfeld der Schweizer Landwirtschaft „systemfremd“ und dürften kaum einen Effekt oder Mehrwert bringen. Im Gegenteil: Sie ist fast eine Art moderner Ablasshandel im Stil von „ich setze zwar etwas Kritisches ein, zahle aber eine Abgeltung dafür und deshalb ist es ok“. Meiner Meinung nach muss man das Risiko von Pflanzenschutzmitteln auf der Basis von anerkannten wissenschaftlichen Methoden so beurteilen, dass die Mittel sicher zugelassen werden können. Im gegenteiligen Fall sind sie zu verbieten. Punkt Schluss. Grauzonen mit Hilfe von Lenkungsabgaben zu schaffen, erachte ich als fragwürdig, ja sogar scheinheilig. Denn eines ist sicher: Die ersten, welche die Landwirtschaft mit einer Millionenschweren Negativkampagne wegen den Grauzonen an die Plakatwände bringen, sind die Umweltorganisationen. Ihnen wird es nie genug sein. Egal was wir tun. Egal wie viel umweltfreundlicher unsere Produktion im Vergleich mit dem Ausland ist.  

Autor

David Brugger

Schweizer Bauernverband
Leiter Geschäftsbereich Pflanzenbau

Telefon 077 438 90 88
E-Mail david.brugger@sbv-usp.ch

Weitere Beiträge zum Thema

Standpunkte
Standpunkte 13. AHV-Rente – die Rechnung geht nicht auf

19.01.24 | «Initiative für ein besseres Leben im Alter!», so nennen Initianten ihren Vorschlag für eine 13. AHV-Rente. Sie fordern, dass die Rentnerinnen und Rentner einen Zuschlag von einem Zwölftel ihrer jährlichen Rente erhalten. Und zwar alle nach dem Giesskannenprinzip. Umfragen zeigen, dass die Volksinitiative beim Stimmvolk ankommt. Nicht zuletzt, weil die Art der Finanzierung offengelassen ist und unklar ist, woher das Geld dafür käme. Konkret geht es um 4 bis 5 Milliarden Franken Mehrausgaben pro Jahr. Bis 2050 wür-den sich die Mehrausgaben auf über 100 Milliarden Franken summieren.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Medienmitteilungen Biodiversität: Schweizer Bauernbetriebe engagieren sich!

18.01.24 | Wie alle menschlichen Aktivitäten, hat auch die Landwirtschaft einen Einfluss auf die Biodiversität. Gleichzeitig ist sie darauf angewiesen. Daher tragen Bauernfamilien eine grosse Verantwortung und erfüllen verschiedene Auflagen. Unterdessen dienen im Schnitt 19 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Förderung der Biodiversität. Um eine bessere Wirkung zu erzielen, braucht es neue Ansätze. Denn mehr Fläche bringt nicht mehr Erfolg.

Mehr lesen
Stellungnahmen Abaissement de la franchise-valeur dans le trafic touristique

17.01.24 | Abaissement de la franchise-valeur dans le trafic touristique

Mehr lesen
Stellungnahmen Politique des agglomérations et Politique pour les espaces ruraux et les régions de montagne

17.01.24 | Politique des agglomérations et Politique pour les espaces ruraux et les régions de montagne

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
AGRISTAT aktuell Agristat Aktuell 12-23: Das Landwirtschaftsjahr 2023

16.01.24 | 2023 bringt als drittes Jahr in Folge für die Landwirtschaft ein wirtschaftlich unbefriedigendes Resultat. Wetterkapriolen und hohe Kosten sind 2023 die wichtigsten Gründe. Gleichzeitig stagniert die landwirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln. Damit geht der Selbstversorgungsgrad zwangsläufig zurück.

Mehr lesen
SBV-News
SBV-News SBV-News Nr. 2 (8. – 12.1.2024)

16.01.24 | Die deutsche Landwirtschaft ist in Aufruhr. Die Zunahme der Auflagen und der gleichzeitige Rückgang der Unterstützung führen in eine Sackgasse und säen viel Frust. Die Schweizer Landwirtschaft steht ebenfalls unter starkem Druck. Noch gelingt es bei wichtigen Themen, die Behörden und Politiker mit Argumenten zu überzeugen. Dies war der Fall bei der Budgetdiskussion im Dezember, bei der der Agrarkredit von Kürzungen verschont wurde. Auch Treibstoffzollrückerstattung für die Bauernbetriebe bleibt bestehen. Wir engagieren uns für diesen Dialog, denn davon profitieren alle!

Mehr lesen
Stellungnahmen Vernehmlassung zu den Landwirtschaftlichen Zahlungsrahmen 2026-2029

12.01.24 | Vernehmlassung zu den Landwirtschaftlichen Zahlungsrahmen 2026-2029

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Medienmitteilungen Zwei Mal Nein zu den Rentenvorlagen

11.01.24 | Die Landwirtschaftskammer des Schweizer Bauernverbands lehnt aus Gründen der Finanzierbarkeit eine 13. AHV-Rente ab und erachtet eine generelle Erhöhung des Rentenalters zurzeit als ebenfalls nicht zielführend.

Mehr lesen